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Channel: interstellare Wolke – Astrodicticum Simplex
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Sternengeschichten Folge 352: Die Heimat der großen Moleküle

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SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.


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Sternengeschichten Folge 352: Die Heimat der großen Moleküle

In dieser Folge der Sternengeschichten geht es um die “Large Molecule Heimat”. Das ist eine seltsame Mischung aus Englisch und Deutsch und bedeutet “Heimat der großen Moleküle”. Das klingt eher nach Chemie, hat aber sehr viel mit Astronomie zu tun. Um zu verstehen, um was es dabei geht, müssen wir uns zuerst aber einmal mit Molekülwolken beschäftigen. Und natürlich mit Molekülen.

Ein Molekül, ist ganz vereinfacht gesagt, eine Verbindung aus zwei oder mehr Atomen. Im engeren chemischen Sinne gilt das zwar nicht ganz; nicht alle Atome die sich irgendwie verbinden, werden dort auch Moleküle genannt es kommt darauf an, wie genau die Atome sich verbinden (Salz, die Verbindung von Natrium und Chlor, also Natriumchlorid wird zum Beispiel nicht als Moleküle bezeichnet). Aber diese Details ignorieren wir vorerst einfach mal. Und kommen zu dem Schluss, dass es sich bei einer Molekülwolke, um eine Wolke aus Molekülen handeln muss.

Allerdings nicht um Wolken wie wir sie hier bei uns auf der Erde am Himmel sehen können. Obwohl die ja auch aus Wassermolekülen bestehen – aber die Wolken um die es hier geht sind interstellare Wolken. Also große Bereiche zwischen den Sternen, in denen sich diverse chemische Elemente befinden. Genau die Art von Wolken, die, wenn sie in sich zusammenfallen, irgendwann einmal Sterne bilden, wie ich in der allerersten Folge der Sternengeschichten erzählt habe.

Das häufigste Molekül das man in solchen Wolken finden kann, ist molekularer Wasserstoff, also H2 – nichts anders als zwei Wasserstoffatome, die miteinander verbunden sind. Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum und deswegen ist es auch nicht überraschend, dass der größte Teil der interstellaren Wolken aus Wasserstoff besteht. Wenn in diesen Wolken aber nur Wasserstoff drin wäre, dann würde man sie ja nicht Molekülwolken nennen, sondern Wasserstoffwolken.

Die Wolken um die es heute geht, sind groß, dicht und kühl genug, damit dort jede Menge andere Moleküle entstehen können. Damit sich zwei oder mehr Atome miteinander verbinden können, müssen sie sich ja erst einmal treffen. Das klappt nur, wenn ausreichend viele von ihnen auf ausreichend kleinem Raum vorhanden sind. Wenn mitten im leeren All ab und zu mal ein paar Atome durch die Gegend fliegen, stehen die Chancen schlecht, dass sie sich irgendwann mal treffen. Die Wolke muss also dicht genug sein, obwohl “dicht” hier auch nicht mit dem verwechselt werden darf, was wir darunter auf der Erde verstehen. In solchen Wolken findet man ein paar tausend Atome pro Kubikzentimeter, was in jedem Labor auf der Erde als extrem gutes Vakuum durchgehen würde.

Diese Dichte reicht aber, dass sich Atome oft genug treffen können um sich zu verbinden. Sie reicht auch, um die verbundenen Atome von der Strahlung der Sterne außerhalb der Wolke zu schützen. Die Energie dieser Strahlung würde die Moleküle nämlich schnell wieder auseinander brechen lassen. Je mehr Strahlung, desto wärmer und desto schneller bewegen sich die Atome. Sind sie zu schnell, dann treffen sie sich nicht beziehungsweise trennen sich die Moleküle wieder.

So eine Molekülwolke kann ein paar Dutzend Lichtjahre groß sein; die sogenannten Riesenmolekülwolken sind – wenig überraschend – noch viel größer und haben Massen, die dem Millionenfachen der Sonnenmasse entsprechen. Eine solche Riesenmolekülwolke ist “Sagittarius B2”. Sie befindet sich nur 390 Lichtjahre vom Zentrum unserer Milchstraße entfernt und ist einer größten Molekülwolken in unserer Galaxie. Sie hat einen Durchmesser von 150 Lichtjahren und mehr als das dreimillionenfache der Sonnenmasse. Man findet dort 3000 Atome pro Kubikzentimeter; deutlich mehr als in normalen interstellaren Wolken. Es handelt sich aber nicht um eine homogene Wolke; es gibt dort Bereiche die quasi ein wenig “klumpiger” sind als der Rest. Dort wo die Dichte besonders hoch ist, entstehen neue Sterne und dort ist es auch vergleichsweise warm; um die 300 Kelvin, was sommerlichen 27 Grad Celsius entspricht. Im Rest der Wolke hat es aber frische -230 Grad Celsius.

Das galaktische Zentrum im Radio- und Infrarotlicht. Sagittarius B2 ist der rote Fleck links der Mitte (Bild: ESO/APEX & MSX/IPAC/NASA)

Was es dort auch gibt, ist Eis und Staub. Also nicht mehr nur einzelne Moleküle, sondern größere Zusammenballungen von Atomen. Die werden zum Beispiel von jungen Sternen hinaus ins All gepustet und reichern sich im restlichen Bereich der Wolke an. Das ist gut wenn man ein Atom ist und gern Teil eines Moleküls sein will. Denn auch wenn man sich in einer dichten Wolke befindet ist es schwer, einen Partner für eine Bindung zu finden. Oft muss man wirklich lange warten, bis die passende chemische Reaktion stattfindet. Wenn man sich aber auf der Oberfläche eines Eis- oder Staubteilchens befindet, können die chemischen Reaktionen viel schneller ablaufen; man kann viel einfacher mit einem Partner in Kontakt kommen und am Ende können viel komplexere Moleküle entstehen.

Womit wir jetzt bei der “Large Molecule Heimat” angekommen wären. Das ist genau so ein dichterer Klumpen in der Riesenmolekülwolke Sagittarius B2; gerade einmal 0,3 Lichtjahre groß. Irgendwo mitten drin muss vermutlich ein junger Stern stecken, der für viel Staub sorgt. Und genau dort hat man jede Menge große Moleküle gefunden. “Groß” heißt in dem Fall: “Komplex”, also Moleküle die aus mehr als nur zwei Atomen bestehen. Und bevor ich jetzt die Frage beantworte, die sich sicher die meisten gerade stellen, klären wir noch kurz die Sache mit dem komischen Namen. Der stammt vom amerikanischen Astronomen Lewis Snyder. Seine Vorfahren stammen aus Deutschland und als er im Jahr 1994 gemeinsam mit Kollegen versuchte herauszufinden, wo genau die entdeckten Moleküle sich befinden, nannte er die dabei identifizierte Region “Large Molecule Heimat” um mit dem deutschen Wort seine eigenen deutschen Wurzeln zu würdigen.

Aber jetzt zur eigentlichen Frage: Wie findet man Moleküle fern im All? Und wieso musste Snyder den Ursprung der Moleküle suchen, nachdem man schon wusste, dass es sie dort gibt? Das alles ist ein wenig verwirrend – aber nicht sehr und hoffentlich nicht mehr lange.

Moleküle sind – eigentlich – recht einfach zu entdecken. Denn sie können angeregt werden. Damit meint man, dass ein Molekül Energie von außen aufnehmen kann. Zum Beispiel durch die Strahlung eines nahen Sterns oder durch Kollisionen mit anderen Molekülen. Zu viel Energie, und das Molekül bricht auseinander. Aber wenn es nur ein wenig Energie ist, kann das Molekül sie für eine gewisse Zeit behalten bevor es die Energie wieder abgibt. Das tut das Molekül, in dem es ein klein wenig elektromagnetische Strahlung aussendet und zwar im Allgemeinen bei Wellenlängen die im Bereich von einigen Millimetern bzw. darunter liegen. Das ist genau der Bereich, den wir von der Erde aus mit Radioteleskopen beobachten können. Aber Radiostrahlung gibt es zu hauf, auch im All. Jede Menge Objekte schicken jede Menge elektromagnetische Strahlung durchs All und damit ist nicht nur das sichtbare Licht gemeint, sondern eben auch Licht bei höherer Wellenlänge, wie eben die Millimeterstrahlung und die Radiostrahlung.

Zum Glück schicken Moleküle aber nicht einfach irgendwelche Strahlung ins All. Bei welcher Wellenlänge sie die überschüssige Energie abgeben hängt sehr exakt von der Art und Anzahl der Atome ab, aus denen es besteht. Anhand der Wellenlänge kann man also herausfinden, um welches Molekül es sich handelt. In der Theorie zumindest; in der Praxis ist es knifflig. Denn je komplexer ein Molekül ist, desto mehr Möglichkeiten hat es, Energie abzugeben. Genauer gesagt hat jedes Molekül ein eigenes Muster aus verschiedenen Wellenlängen und man muss probieren, diese Muster zu finden. Was nicht ganz leicht ist, weil da ja jede Menge Muster jeder Menge Molkeüle sind und man alle auf einmal und überlagert beobachtet.

Aber mit ein wenig Mühe, Hartnäckigkeit und ausreichend Technik geht es und man hat so jede Menge Moleküle im All gefunden. Weiß aber nicht immer exakt wo sie her kommen. Radioteleskope haben eine geringe Auflösung; die wird ja um so schlechter, je größer die Wellenlänge ist die man beobachtet und Radiowellen haben eine große Wellenlänge. Man wusste als schon lange vor Lewis Snyders Arbeit aus dem Jahr 1994, dass irgendwo in Sagittarius B2 jede Menge komplexe Moleküle sind. Aber halt nicht genau wo. Weswegen sich Snyder auf die Suche nach der Heimat dieser Moleküle gemacht hat.

Mittlerweile hat man sie ja nun gefunden und immer wieder beobachtet. Der Name “Large Molecule Heimat” ist definitiv nicht übertrieben; man hat dort jede Menge sehr komplexe Moleküle gefunden. Zum Beispiel Äthylalkohol, Formaldehyd, Ameisensäure, Essigsäure, Glykolaldehyd und Äthylenglykol. Und, 2008, auch Aminoacetonitril. Das hat ziemlich viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr begeistert. Denn das Ding mit dem komplizierten Namen ist chemisch mit Glycin verwandt und vermutlich sogar ein chemischer Vorläufer davon. Das heißt, dass aus Aminoacetonitril unter den richtigen Bedingungen Glycin entstehen kann, was erst dann so richtig beeindruckend klingt, wenn man weiß dass Glycin eine Aminosäure ist und damit einer der Bausteine aus denen Proteine entstehen. Das Zeug also, aus dem Leben und Lebewesen bestehen!

Radioteleskope sehen viel Bild: CSIRO, CC-BY-SA 3.0

Nur damit kein Missverständnis entsteht: Man hat dort definitiv KEIN Leben entdeckt. Aber nachgewiesen, dass all die komplexen Moleküle die man braucht, damit daraus Leben entstehen kann, nicht nur auf der Oberfläche passender Planeten zu finden sind. Die ganzen Moleküle entstehen direkt im All; in großen Molekülwolken wie der “Large Molecule Heimat”. Man hat ähnlich komplexe Moleküle auch an anderen Orten; in anderen Wolken gefunden. Man hat sie auch in Kometen und Asteroiden entdeckt, was ebenfalls nicht überraschend ist, wenn man ein wenig darüber nachdenkt. Denn die Wolken sind ja, wie schon gesagt, die Orte in und aus denen Sternen entstehen. Man hat dann also einen Stern und rundherum noch jede Menge Wolkenreste. In der sich neben Gas, Staub und Eis auch die komplexen Moleküle befinden. Das ganze Eis und der Staub ballen sich dann im Laufe der Zeit zu Asteroiden und Kometen zusammen, aus denen wiederum Planeten entstehen. Die übrig gebliebenen Kometen und Asteroiden schlagen auf den Planeten ein. Und am Ende landen auf dem einen oder anderen Weg die nötigen Moleküle auf der Oberfläche eines Planeten. Wenn dort dann noch die passenden Bedingungen herrschen, können aus den komplexen Molekülen NOCH komplexere Moleküle entstehen bis sie dann so komplex sind, dass man sie nicht mehr “komplexe Moleküle” nennt, sondern “Leben”.

Das war jetzt natürlich nur ein sehr vereinfachtes Bild. Die Realität ist deutlich komplizierter und es gibt noch sehr viel, was wir nicht wissen. Aber wir wissen, dass es im Weltall mehr interessante Dinge gibt als nur Planeten, Sterne und Galaxien. Wir wissen, dass die Phänomene die zwischen den Atomen und die Vorgänge zwischen Sternen, Planeten und kosmischen Wolken alle zusammenhängen. Und wir wissen, dass uns der Blick hinaus ins All auch etwas über die Entstehung des Lebens hier auf der Erde verraten kann.

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